Aspekte zur Haltung von europäischen Landschildkröten


Kurzüberblick der wichtigsten Aspekte zur Haltung von Europäischen Landschildkröten der Arten Testudo hermanni hermanni, Testudo hermanni boettgeri, Testudo marginata sowie Testudo graeca ibera. (diese kurze Pflegeanleitung versteht sich als erste Hilfe zur artgerechten Haltung, ersetzt aber keinesfalls ein intensives Literaturstudium zum Thema) Europäische Landschildkröten sind instinktgesteuerte Reptilien und dürfen nicht vermenschlicht werden. Sie sind nicht anpassungsfähig und domestizierbar, SIE BLEIBEN IMMER WILDTIERE! Dessen muss man sich bewusst sein, wenn man sich zur Haltung dieser interessanten und im Reich der Reptilien wohl beliebtesten Vertreter entscheidet. Streicheleinheiten und sonstige Liebesbekundungen, wie sie Hund und Katze sehr schätzen, bedeuten hingegen für eine Schildkröte Stress, da sie instinktiv ein Hochheben mit dem Angriff eines Fressfeindes verbindet. Daher sind Schildkröten Tiere zum Beobachten und somit keinesfalls als Spielzeug für Kinder geeignet. Übermäßiger Stress führt mittelfristig zur Absenkung der Immunabwehr und zu Organversagen, somit zum Tode der Reptilien. Artgerecht gehaltene Landschildkröten könnten durchaus über 100 Jahre alt werden. Leider ist das den wenigsten Tiere vergönnt, da ihre Halter sie aus Unwissenheit oder auch Bequemlichkeit falsch pflegen. Gut gemeint ist leider nicht immer gut gemacht! Daher gebietet es sich, stets auf dem neuesten Stand der Kenntnisse zu sein und seine Haltung ständig zu hinterfragen und ggf. zu verbessern. Im Internet und leider auch im sogenannten Fachhandel, aber bedauerlicherweise auch in einigen zoologischen Einrichtungen, wird man immer wieder Zeuge von nicht artgerechter Haltung und ihren unwiderruflich schlimmen Folgen. Verwachsene Tiere mit irreparablen Organschäden sind die Folge. Schildkröten sind nicht in der Lage, ihre Schmerzen durch Mimik kundzutun. Sie leiden still und siechen dahin. Um das zu vermeiden, hat der neue Halter im Vorfeld die Verpflichtung, sich zum Thema artgerechte Haltung zu informieren. Ohne sonnigen Garten ist eine optimale Haltung europäischer Landschildkröten nicht möglich! Terrarienhaltung ist absolut abzulehnen, da die Behältnisse zu klein für den Bewegungsdrang der Tiere sind, keine Lampe der Welt die nötige UVA/UVB-Strahlung der Sonne total ersetzen kann, man kein richtiges Temperaturgefälle im Bereich Tag/Nacht erreichen kann und Terrarien im Allgemeinen zu schnell überhitzen. Vor der Anschaffung der Tiere ( niemals als Einzeltier, denn Schildkröten leben in der Natur in losen Verbänden und brauchen die Begegnungen untereinander für die Prägung und arttypisches Sozialverhalten) muss ein Gehege im Garten an möglichst der sonnigsten Stelle errichtet werden. Dabei gilt, dass die Morgensonne wichtiger ist als die Sonne am Abend, damit sich die Reptilien frühzeitig am Tag erwärmen können, um so einen optimalen Stoffwechsel zu ermöglichen. Da ein Gehege Grenzen setzt und weibl. Europäische Landschildkröten von zu zudringlichen Männchen stark gestresst werden könnten, empfiehlt sich eine Geschlechterverteilung von 2-3 Weibchen je Männchen. Beim Erwerb sollte man bedenken, dass alle Europäischen Landschildkröten unter strengen Artenschutzregelungen stehen und nur mit vorhandener Vermarktungsgenehmigung nebst lückenloser Fotodokumentation oder Transponder angeboten, verkauft und gekauft werden dürfen. Sodann ist eine sofortige Meldung bei der Unteren Landschaftsbehörde der Kommune verpflichtend. Die Fotodokumentation ist lückenlos fortzuführen. Zurück zum Gehege: Ist ein sonniger Platz im Garten gefunden, ist auf Grund unseres Klimas ein Gewächshaus oder stabiles Frühbeet, hier zu empfehlen ist die Firma Beckmann, obligatorisch.Es federt zu kalte Perioden gerade in der Übergangszeit ab und bietet nachts Schutz vor Fressfeinden wie Mardern und Füchsen, Igeln, Ratten und einigen Mausarten sowie Elstern und Krähen etc. . Katzen werden immer wieder genannt, wir können das jedoch aus eigener Erfahrung nicht bestätigen und kennen auch niemanden, der schon einmal Probleme mit Katzen hatte ( abgesehen von der Tatsache, dass sich jeder Legehügel geradezu fantastisch als Katzenklo eignet). Ganz im Gegenteil, Katzen halten die größten Feinde, die Ratten, fern! Zurück zum Frühbeet/Gewächshaus:Hier entsteht schnell ein günstiges Mikroklima, welches durch das Einbringen einer Wärmelampe (zB.Halogenstrahler 150 Watt bis 300 Watt ja nach Größe) und eines Frostwächters über Thermozeitschaltuhren gesteuert zu den optimalen Temperaturen führt. Nachts sollte die Temperatur nicht unter 10-12 Grad fallen, aber eben auch nicht wesentlich überschreiten ( bei Terrarienhaltung in der Wohnung wohl kaum zu realisieren!). Tagsüber reicht eine Umgebungstemperatur von etwa 20 Grad Celsius aus, wenn im Lichtkegel der Wärmelampe mindestens 35 Grad, besser aber 40-45 Grad erreicht werden, damit die wechselwarmen Tiere schnell eine Körpertemperatur von 35 Grad Celsius erreichen können. Dann erst läuft ihr Stoffwechsel optimal. Eine Überhitzung und damit den sicheren Tod der Tiere vermeidet man durch den zwingend notwendigen Einbau eines Fensterhebers. Zudem sollten die Schildkröten tagsüber selbstständig entscheiden können, ob sie ins Freigehege wandern wollen oder im Frühbeet/Gewächshaus verweilen möchten. Die Größe des Geheges hängt u.a. von der Anzahl der Tiere ab, wobei das Gehege mit den Tieren wachsen sollte. Für bis zu 5 Babies reichen zu Beginn sicherlich 1-2 qm, da man sonst die Kleinen nicht wiederfindet. Jahr für Jahr kann es dann erweitert werden und sollte schon für nur 3 adulte Tiere nicht unter 20 qm Fläche haben. Aber nicht allein die Größe ist entscheidend, sondern die Struktur des Geheges. 1000 qm reine Wiesenfläche wären absolut ungeeignet und führten zum Unwohlsein der Tiere. Hingegen können 30qm gut strukturiertes Wildtiergehege alle Bedürfnisse der Tiere befriedigen. D.h., dass der Bodengrund wasserdurchlässig durch das Einbringen von Kies, Sand und Steinen gestaltet werden sollte. Es muss Sonnenplätze geben, aber auch ausreichend Schutz unter kleinen Büschen und Futterpflanzen, Wurzeln und Steinen. Kleine Hügel/Legehügel machen es für die Tiere interessanter. Die Umrandung sollte den Ausbruch, aber auch das Eindringen von Fressfeinden unterbinden und mindestens 30 cm Höhe haben. Ferner darf sie nicht durchsichtig sein, da Landschildkröten dies nicht erkennen können. Es bieten sich Steinmauern, Holzpalisaden oder sogar Zoogräben an. Keinesfalls Glas oder Maschendraht, um eine Verletzungsgefahr zu vermeiden. Im Gehege sollten reichlich Futterpflanzen wachsen, sodass die Tiere selbstständig fressen können. Hierzu dienen nahezu alle Wild- und Wiesenkräuter wie Löwenzahn, Kleearten, Malven, Wegericharten, alles an Kreuz-und Lippenblütengewächsen, Nesseln und Winden, Karden und Disteln, Schmetterlingsblütengewächse und Korbblütler, Mohn etc. … Giftpflanzen sollten vermieden werden, wobei nicht alles für Schildkröten giftig ist, was Säuger schädigen würde (zB. Ginster). Je mehr und abwechslungsreicher man füttert, umso besser. Nur der beliebte Löwenzahn wäre auch schädlich. Dabei ist ausgereiften Pflanzen von kargen Böden, denen von fetten Wiesen der Vorzug zu geben; sind sie doch rohfaser- und ballaststoffreicher. Getrocknete Wiesenkräuter verlängern die Darmpassage und wirken sich positiv gegen Darmparasiten aus! Vorsicht vor Eibe, Rhododendron und Azaleen sowie Engelstrompeten und Christrosen!!! Sie sind tödlich!!! Mediterrane Kräuter wie Salbei, Thymian, Bergbohnenkraut, Oregano und Rosmarin werden nicht gefressen und geben dem Gehege einen mediterranen Touch. Zwingend notwendig ist die Gabe von tägl. frischem Wasser in flachen Tonuntersetzern. Gerade kleine Landschildkröten benötigen ein feuchtes Milieu, um glatt zu wachsen. Zu proteinhaltige Ernährung und eine zu trockene Haltung führen zu unnatürlich schnellem und höckrigem Wachstum und parallel oftmals zu Gicht und dann mittelfristig zum Tode der Tiere. Es bietet sich an, eine Ecke im Frühbeet immer feucht zu halten. Schildkröten benötigen Kalk. Dazu verteilt man im Gehege Sepiaschalen oder zerstößt gekochte Eierschalen und gibt sie ins Gehege, nicht über das Futter. So kann das Tier seinen Bedarf instinktiv befriedigen. Kalkpräparate aus dem Handel sind ungeeignet und kosten nur unnötig Geld.Ebenso ungeeignet sind Hunde- und Katzenfutter, Obst und Gemüse sowie Salate (Ausnahme Romanasalat in Maßen) und Tomaten, Brot, Nudeln und Getreide. Ausnahme Möhre! Auch sie wirkt gegen Darmparasiten und wird von Schildkröten mit Ausdauer wie ein Knochen abgenagt. Füttern Sie bitte sonst nur, was auf der Wiese wächst! Es kostet nichts und ist gesund! Zur artgerechten Haltung der Europäische Landschildkröten gehört eine korrekt durchgeführte Winterstarre. Alle freilebenden Tiere sind den gleichen jeweiligen klimatischen Habitatsbedingungen unterworfen. Auch Schlüpflinge müssen starren!Niemand sammelt sie im Herbst ein, um sie warm zu überwintern!Vertrauen Sie auf die Natur und gönnen Sie Ihren Tieren diese nötige Pause.Im Frühbeet gehaltene Tiere reagieren im Herbst auf niedrigere Nachttemperaturen und abnehmende Helligkeit und ziehen sich mehr und mehr in ihre Schlafstellen zurück. Bieten Sie immer frisches Wasser an! In älterer Literatur, aber auch in manchen Foren empfehlen unbelehrbare Zeitgenossen immer noch das Leerebaden der Schildkröten vor der Starre. Heute weiß man jedoch, dass die Praxis des Dauerbadens zur Darmentleerung völlig falsch ist! Ganz im Gegenteil: Es muss zur Erhaltung der nötigen Darmbakterien ein Rest Futter im Darm verbleiben, sonst können die Tiere im Frühjahr verhungern, da keine Bakterien mehr vorhanden sind, die die Nahrung aufspalten können. Auch Darmbakterien wollen in der Ruhephase von irgendetwas leben.Mit abnehmendem Licht und damit sinkenden Temperaturen werden die Schildkröten ab etwa Ende Oktober das Fressen einstellen und bleiben dann zumeist eingegraben in ihrem feuchten(!) Substrat. Frisches Wasser muss nach wie vor täglich gereicht werden. Manche Halter überführen ihre Tiere ab Mitte/Ende November in Plastikboxen mit Gartenerde und feuchtem Spaghnummoos oder Buchenlaub in extra vorbereitete Kühlschränke und lassen sie dort bei 3 bis 6 Grad bis Anfang/Mitte März starren, bevor sie sie dann wieder in das Frühbeet bzw. Gewächshaus überführen. Einmal wöchentlich öffne ich die Kühlschranktür zum Luftaustausch und kontrolliere die Feuchtigkeit des Substrates. Ggf. feuchtet man nach. Ein Wiegen und Herausnehmen der Tiere lehnen wir als unnatürliche Störung ab. Achten Sie auf die Temperatur!Ab 8 Grad beginnt ein unvollständiger Stoffwechsel, der zum Tode führen kann, unter 0 Grad kommt es zu Erfrierungen. Alternativ lässt man die Landschildkröten in ihrem Schutzhaus im Frühbeet oder Gewächshaus starren, vermeidet dann aber Temperaturen unter 0 Grad mittels Frostwächter. Das ist sicherlich, die der Natur am ähnlichsten Methode. Artgerecht ernährte Landschildkröten bei richtigem Temperaturmanagement und Feuchtigkeit überleben die Winterstarre mühelos, es gehört zu ihrem natürlichen Jahresrhythmus und ist nur in Krankheitsfällen zu unterlassen. Diese kurze Pflegeanleitung soll nur erste Denkanstöße vermitteln. Zum weiteren Studium empfehlen wir folgende Homepages: www.testudo-surge.de www.testudo-farm.de www.villa-testudo.de www.casa-carapax.de Noch ein Hinweis:Auch bei noch so guter Pflege können auch griechische Landschildkröten einmal erkranken oder sich verletzen. Gehen Sie bitte nicht zum „normalen“ Tierarzt für Hund, Katze, Maus. Fachkenntnisse zu Reptilien sind hier oftmals eher Mangelware – es mag Ausnahmen geben. Suchen Sie sich bitte frühzeitig die Adresse eines Reptilienspezialisten in Ihrer Umgebung heraus. Leider sind diese nicht gerade üppig gesät.

Für das Ruhrgebiet möchten wir Frau Birgit Malla

Am Heerbusch 2

44894 Bochum

Telefon 0234/265504 empfehlen.

Wenn Sie noch weitere Fragen zur Haltung von Schildkröten im Allgemeinen haben, zögern Sie nicht und rufen Sie uns unter +49 1777316802 an oder schreiben Sie mir unter info@shwev.de

 

Ihre Schildkrötenhilfe Witten e.V.