Prä/postovulatorische Legenot – Wasserschildkröten/Landschildkröten
Im Laufe der Saison in der Schildkrötenhilfe kommt es immer wieder zu einer ganz bestimmten Auffälligkeit bei weiblichen Wasser-und Landschildkröten.
Die dargestellten Erkrankung sind in den allermeisten Fällen zurück zu führen auf jahrelange falsche Haltung.
Ich möchte darauf aufmerksam machen, dass dieses Thema bei weiblichen Schildkröten besondere Aufmerksamkeit braucht um den Tieren so schmerzhafte Erkrankungen zu ersparen und den Haltern ein besseres Verständnis für ihr Tier zu geben.
Auslöser für diesen Beitrag war eine Situation, die ich durch ein von mir vermitteltes Pseudemys concinna concinna Weibchen miterlebt habe.
Im Sommer 2023 hatte ich dieses Tier aufgenommen, das 20 Jahre in einem Aquarium traurig vor sich hin leben musste.
Wer weiß, wie groß T.c.concina Weibchen werden können, weiß was gemeint ist.
Eine Anfrage bei dem verantwortungsvollen Halter @Kai Wagner von Wasserschildkroeten MKK, ob noch ein Plätzchen frei wäre, endete in einer Vermittlung von 4 strammen Weibchen.
Das große Pseudemys Weibchen zog also um und tauchte ein, in ein Leben, wie es nicht schöner sein kann.
Nach kurzer Zeit kontaktierte Kai mich und berichtete über die Auffälligkeit, dieses Tier sei träge, scheu und appetitlos.
Nicht lang gewartet, ging Kai mit der Schildkröte zum Arzt und ein Ultraschall bestätigte die Vorahnung.
Eine enorme Ansammlung von verhärteten und verklebten Follikeln staute sich im Unterbauch.
Durch die jahrelange falsche Haltung, ohne Eiablageplatz kommt es zu hormonellen Störungen, die letztlich diese Legenot hervorrufen.
Durch das ungeübte Auge und das daraus resultierende Übersehen der Symptomatik kann der Verlauf letztlich tödlich für das Weibchen enden.
Die OP wurde durchgeführt von der
Tierarztpraxis Bieber
Tierärzte Frank Mittenzwei und Isabell Gletscher
Am Pflaster 27
63599 Biebergmünd- Bieber
OP Bericht:
Die präovulatorische Legenot bei Schildkröten
Die präovulatorische Legenot ist eine bei weiblichen Land-und Wasserschilkröten häufig vorkommende Erkrankung.
Meist treten Probleme in der Eianbildung bei Schildkröten mittleren bis höheren Alters auf.
Typische Symptome können eine Rötung von Plastron und/oder Haut, Wassereinlagerungen(Ödeme) im Bereich der Beine, vermehrtes Liegen am Sonnenplatz,
Abgeschlagenheit und Inappetenz sein.
Auch zeigen betroffene Weibchen oftmals schon seit längerer Zeit Probleme oder gar ein ausbleiben der Eiablage,
was Hinweise auf eine hormonelle Störung liefert.
Die genannten Indizien weisen auf eine „Präovulatorische Legenot“ hin, d.h. die Schildkröte bildet seit Geschlechtsreife immer wieder
Vorstufen von Eiern (Follikel) an und wieder zurück bzw resorbiert diese.
Irgendwann kommt es aufgrund hormoneller Störungen dazu, dass diese Entwicklung stagniert, die Eivorstufen ( Follikel)
entwickeln sich also weder weiter, noch zurück, während der Körper sich auf die Bildung von beschalten Eiern vorbereitet.
Aus verschiedenen Organen wird Kalzium mobilisiert, welches der Eischalenbildung dienen soll, sodass es zu einem enormen Anstieg
von Kalzium im Blut kommt. Die Elektrolytverhältnisse entgleisen immer weiter.
Der erhöhte Kalziumspiegel dient unter anderem in der Voruntersuchung als Indikator zur Diagnosestellung.
Da die Entwicklung der Follikel stagniert, entzünden sich die se und es kommt zu einem Entzündungsgeschehen
welches sich im ganzen Körper äußert ( Entzündungsflüssigkeit in den Beinen, in der Bauchhöhle, Rötungen des Bauchpanzers/der Haut durch Gefäßerweiterung)
Diese Prozesse sind sehr schmerzhaft, was unbedingt therapeutisch behandelt werden muss.
Neben einer Blutuntersuchung müssen für eine sichere Diagnose bildgebende Verfahren genutzt werden. Auf einem Röntgenbild lassen sich Hinweise
finden ( starke Füllung der Panzerhöhle durch die Masse an Follikeln) , sowie einen Überblick gewinnen (beispielsweise Ausschluss von fertigen Eiern/Windeiern,
Schalenresten, die parallel zu entzündeten Follikeln auftreten können.)
Zusätzlich empfiehlt sich eine sonographische Untersuchung über die Bucht der Hintergliedmaßen, da hier die Follikel selbst, sowie der
entzündliche Prozess dieser, sehr gut dargestellt werden kann.
Die einzig mögliche Therapie besteht in dem Entfernen der Follikel mit gleichzeitiger Kastration der Schildkröte.
Der Zugang zur Bauchhöhle erfolgt bei Landschildkröten durch die Öffnung des Bauchpanzers, bei großen Wasserschildkröten
in der Regel durch die Haut in den Kniebuchten. Je nach Zustand des Allgemeinbefindens werde zusätzlich Infusionen,
sowie stets Medikamente gegen die Entzündung und die Schmerzen gegeben.
Am Beispiel des Pseudemys concinna concinna Weibchens Lorena lässt sich das Krankheitsgeschehen anschaulich darstellen:
Dem erfahrenen Pfleger des Tieres viel nach gewisser Zeit die verminderte Aktivität des Tieres auf. Die allgemeine klinische
Untersuchung in der Praxis erbrachte kein eindeutiges Ergebnis.
Die Röntgenaufnahme zeigte keine beschalten Eier.
Im Ultraschall konnten massive Ansammlungen von Follikeln in unterschiedlichen Entwicklungsstadien nachgewiesen werden.
Dadurch wurde die Diagnose “ Präovulatorische Legenot“ eindeutig gestellt. Die OP erfolgte routinemäßig beidseitig über die Kniebuchten.
Durch die Kastration, d.h. die Entfernung der Eierstöcke (Ovarien) konnten die Probleme bei Lorena dauerhaft behoben werden.
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Prä/postovulatorische Legenot- Landschildkröten
Über den dauerhaften Kontakt zu meinem lieben Schildkrötenfreund @tortoise.stefan (insta) war der österreichische Reptilien Arzt Jeff Schreiner ( insta: schreiner_jeff ) so nett, den Verlauf einer OP an einer centrochelys sulcata mit prä – und postovulatorischer Legenot zu dokumentieren.
Bei dieser Legenot handelt es sich um die Ansammlung von Follikeln, also eine Situation VOR der dem Eisprung(Ovulation) und gleichzeitig der Ansammlung von schon entwickelten Eiern.
Auch hier handelt es sich um das gleiche Thema wie bei den Wasserschildkröten. Fehlende Eiablageplätze, bzw falsche, z. B. zu kalte Haltungsbedingungen, evtl über Jahre falsches Futter und Kalziummangel führten zu Hormonschwankungen, die zu einer Legenot/ ovulatorische Legenot führen können.
Anders als bei Wasserschildkröten, wird diese OP bei Landschildkröten über die Öffnung des Bauchpanzers ( Plastrotomie) praktiziert.
Abschließend sei erwähnt, dass es auch ohne schlechte/falsche Haltungsparameter zu einer Legenot kommen kann.
Ich habe über die Theorie gelesen, dass es adulte Weibchen gibt, die ohne die Anwesenheit von einem Männchen nicht zum Eisprung kommen. Dies kann wiederum über Jahre zu hormonellen Störungen führen, die letztlich für die Entwicklung einer solchen Problematik ausschlaggebend sind. Durch diese hormonellen Störungen werden z.B. die Follikel mitunter nicht mehr resorbiert und es kann zu einem Follikel Stau kommen. Mir ist hier nochmal klar geworden, wie viel wir noch nicht wissen und was es noch alles zu lernen gibt.
Die folgenden Bilder dokumentieren die Eingriffe.